Als sie an der Villa ankamen, war alles dunkel. Herr und Frau Sauerlich, Kloß’s Eltern, waren auf einer Spendengala zugunsten übergewichtiger, dummer Kinder. Tim hatte zwar kein Verständnis für solche mindewertigen Geschöpfe, hatte sich aber in seltenem Großmut einen Kommentar verkniffen, da Herr Sauerlich auch die Wohnung in der Heldengasse finanzierte. Dieses tat er aus freien Stücken, seitdem Tim ihn einmal beim Entsorgen von Buntglas in einen Weißglascontainer ertappt und aus alter Freundschaft auf Strafmaßnahmen verzichtet hatte.
Kloß wühlte in seinen Taschen. "Oh, ich glaube, ich habe meinen Schlüsselbund versehentlich aufgegessen", sagte er entschuldigend. Tim spürte, wie sein Puls sich dramatisch von 1 auf 2 Schläge pro Minute erhöhte. Gerade als er zu einem Handkantenschlag ausholen wollte, fing er einen Blick von Gabi auf. Offensichtlich wollte sie nicht, dass er Kloß maßregelte. "Wie seltsam", dachte er, "Gabi mag es doch, wenn ich der Welt zeige, wo der Hammer liegt". "Es heisst hängt", mischte sich eine Stimme in seinem Hinterkopf ein. Er fuhr herum, doch sah er lediglich, dass Karl eine rotfunkelnde Sonnenbrille trug und ihn anlächelte. "Gabi ist verliebt in Kloß", schoss es ihm durch den Kopf, doch da es unmöglich sein konnte, dass Gabi sich in so einen verguckte, schob er den Gedanken beiseite. Er atmete tief durch.
"Na gut, tretet mal beiseite". KKG machte platz und Tim verpasste der Tür einen Handkantenschlag. Nichts geschah. Kloß kicherte verlegen: "Das ist die neue Powerprotect Sicherheitstür, die ist panzersicher. Tut mir leid, Tim, dass…" Leise seufzend fiel die Tür aus den Angeln. Gabi sah Tim bewundernd an und ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus. "Äh, findet ihr nicht, dass es hier plötzlich nach Fisch riecht?", merkte Karl an. Tim sog scharf Luft ein, schnupperte und meinte: "Ne, ich kann nichts riechen. Jetzt aber rein in die gute Stube, ich muss dringend mal aufs Klo." Sie traten ein und Tim bemerkte eine dunkel gekleidete Gestalt am Ende der stockdunklen Eingangshalle. Schnell packte er eine mit Fabergé-Eiern gefüllte Mingvase und schleuderte sie auf den Eindringling. Dann spurtete er hinterher und beobachtete, wie sich die Eier, wie geplant, aus der Schale lösten und auf den Gangster niederprasselten. Dieser schrie erschreckt auf und Tim setzte zu einem Luftsprung an, als das Licht anging. Er erkannte Georg, den Chauffeur der Sauerlichs, bremste in der Luft ab und landete knapp vor dem Chauffeur. "Georg! Was zum Henker treiben Sie hier?" fragte er schneidend. "Ich, äh. Was?". Georg sah verwirrt aus. "Ich habe Lärm gehört, und da der gnädige Herr und die gnädige Frau heute unterwegs sind, dachte ich, es könnten vielleicht Einbrecher sein." "Sehe ich vielleicht wie ein Einbrecher aus?", fauchte Tim. "Sehen Sie nur, was Sie angerichtet haben, Sie Trampel. Die ganzen Fabergé-Eier sind zum Teufel."
Georg blickte verwirrt zu ihm hoch. "Na gut, gegen Dummheit kann man nichts machen. Fegen Sie die Scherben zusammen und beichten Sie nachher Herrn Sauerlich, was Sie angerichtet haben, vielleicht kommen Sie noch einmal so davon, aber den Schaden übernehmen Sie." Georg stand auf und humpelte niedergeschlagen zur Besenkammer.
"Tiiiiim! Ist Dir was passiert?" Atemlos kam Gabi angelaufen und warf sich an Tims Brust, woraufhin sich wieder ein warmes Gefühl in ihm ausbreitete. Gerade als er sie küssen wollte, hörte er, wie Kloß und Georg sich unterhielten, Kloß sagte gerade "Aber machen Sie sich keine Sorge, ich erzähle meinem Vater, wie es wirklich war, ist ja nicht das erste mal, dass er austickt. Wenn ich nur wüsste, warum mein Vater immer so scheißfreundlich zu ihm ist, da ist doch was faul". Tim überlegte kurz, wer denn dieser Typ wohl sein könnte, der immer austickte, und was er wohl mit dem Vorfall von eben zu tun haben könnte. Plötzlich fiel ihm ein, dass Gabi ja noch auf dem Weg zu seiner Brust war und packte sie gerade noch rechtzeitig. Gerade als er sie richtig in den Arm nehmen wollte, geschah es:
Die Erde erzitterte leicht, Karl rief verblüfft: "Täuschen mich mein Hörmuscheln oder fährt da ein Lastwagen die Straße entlang?" "Richtig Mainframe", lobte ihn Tim, der eigentlich davon ausgegangen war, dass die Erschütterung von Gabi ausging, die ja in seiner Nähe immer total happy war. Er blickte auf seine Armbanduhr. "Es ist 08:02, der Kerl verstößt gegen das Frühfahrverbot." "Ähem, Tim?"
Karl putzte sich nervös die Gläser seiner Sonnenbrille. "Das Frühfahrverbotsschild hast Du selbst letzte Woche und ohne Genehmigung aufgestellt, das ist in keinster Weise rechtsgültig, geschweige denn verbindlich." "Karl!" Tim schrie fast. "Das ist doch jetzt völlig irrelevant, das Schild muss da sein. Weisst Du nicht mehr, was letzte Woche passiert ist?"
In der letzten Woche war Tim frühmorgens ohne zu gucken auf die Straße gerannt, weil auf der anderen Straßenseite ein Taxi in nierderträchtiger Weise für 3 Minuten und 5 Sekunden im Halteverbot gestanden hatte. Dabei wäre er fast von einem Auto überfahren worden, dessen Fahrer nur mit einer Vollbremsung einen Zusammenstoß vermeiden konnte.
Es war nichts weiter passiert, allerdings hatte das Quietschen der Bremsen einige Leute aufgeschreckt, woraufhin Tim dem Fahrer eine Anzeige wegen Ruhestörung in Aussicht gestellt hatte. Als dieser, verdächtig blasse und aus unerfindlichen, vermutlich kriminellen Gründen, erregt wirkende Fahrer protestierte, sah Tim sich genötigt, diesen festzusetzen, was den Fahrer zwei Fingerknochen der linken Hand und mehrere Haarbüschel gekostet hatte. Da zudem der Fahrer des falschparkenden Taxis nicht etwa Tim zur Hilfe gekommen war(was diesen auch verwundert hätte), sondern versucht hatte, Tim von dem hämisch schreienden Fahrer heruntzerzuzerrem, hatte sich dieser nun auch noch eine Anzeige wegen Anstiftung einer Straftat eingehandelt, sowie eine Anzeige wegen indirekter Körperverletzung, da Tim den Taxifahrer in Notwehr bewusstlos geschlagen hatte.
Nach diesem Vorfall hatte Tim ein entsprechendes Verbotsschild aufgestellt, um weitere unerfreuliche Vorfälle dieser Art zu vermeiden.
Doch zurück zu unserer Geschichte.
"Na warte!" Tim stürmte heraus auf die Straße und sah tatsächlich ein großes Fahrzeug, das sich gerade anschickte, die Auffahrt zur Sauerlich-Villa hochzufahren. Ein stechender Geruch lag in der Luft. ‚Das ist ein Attentatsversuch auf Gabi‘, schoss es ihm durch den Kopf. Dann erkannte er, dass es sich nicht um einen LKW, sondern um den tiefergelegten Jaguar von Herrn Sauerlich handelte.
Aber es war nicht Herr Sauerlich, der am Steuer saß.
Er rannte auf den Wagen zu, griff sich eine zufällig in der Erde steckende Schaufel, sprang auf die Motorhaube und zerschlug die Windschutzscheibe. Für einen Moment erkannte er das wutverzerrte Gesicht des Fahrers, aber nur für einen Moment, da dieser heimtückische Kerl eine Vollbremsung hinlegte, zweifellos, um Tim anschließend zu überfahren. ‚Aber nicht mir‘, dachte er grimmig, sprang vom Wagen und rammte die Schaufel durch das Seitenfenster ins Lenkrad und zog kräftig.
Der Wagen kam von der Straße ab und prallte gegen eine 1000 Jahre alte Eiche. In der Ferne hörte er Gabi entsetzt aufschreien, als sich einige Blätter aus der Eiche lösten und zu Boden segelten.
Die Fahrertür des Jaguars öffnete sich, und eine finstere Gestalt wankte bedrohlich auf Tim zu. Tim packte den Angreifer und drückte ihn gegen die verbeulte Karosserie. Im Licht des Warnblinkers erkannte er die Gesichtszüge des Angreifes. Es war ein Mann mittleren Alters, der einen schäbigen Overall trug und sich das Gesicht mit Tarnfarbe eingeschmiert hatte. "Los, Du Schuft, was hast Du mit Herrn Sauerlich gemacht?"
"Ich…Äh…" stammelte der Mann, woraufhin Tim ihm noch ein paar Ohrfeigen verpasste. "Tiiiiiim!" Er sah auf, Gabi und Karl kamen, gefolgt von Kloß, auf ihn zugelaufen. Sicherlich wollten sie sich bei ihm dafür bedanken, dass er diesen gemeinen Anschlag verhindert hatte. Karl würde wieder einmal erkennen, dass nur brutale Gewalt bei den Mädels Eindruck macht, und vielleicht würde Gabi ja endlich einmal… "…mechaniker". Er schreckte auf: "Wie, Mechaniker?"
Kloß stand mit einer Tafel Vollmilch-Schinken in der Hand vor ihm. "Das ist doch Herr Schraubinger, der Mechaniker von der Autoreparatur Heilemacher. Der Wagen musste doch neu lackiert und ausgebeult werden, nachdem du ihn letzten Samstag mit einem Drachen verwechselt und mit dem Vorschlaghammer angegriffen hast. Und da mein Vater ein guter Kunde Heilemachers ist, seitdem Du bei uns die Gartenarbeit machst, wird der Wagen, als Sonderservice sozusagen, immer zu uns gebracht."
"Na großartig", fauchte Tim. "Wieso hast Du mir nicht gesagt, dass der Wagen heute kommt? Dann wäre das alles nicht passiert. Und Du", Tim zeigte auf Karl, "Du meintest, einen mit Giftgas beladenen LKW gehört zu haben." Karl entgegegnete trotzig: "Von Giftgas war nie die Rede, und Du hast die Erschütterung auch mitbekommen". "Stimmt", gab Tim zu. "Das muss ich noch klären. Und Sie", Tim wandte sich an Schraubinger. "Tut mir leid, dass ich Sie verdächtigt habe, aber Sie haben sich äußerst verdächtig verhalten. Trotzdem sollten Sie den Wagen noch einmal reparieren, der hier", Tim wies auf Kloß, "wird die Rechnung begleichen. Ich frage mich nur eins: Woher kommt dieser infernalische Gestank, und woher kamen die Erschütterungen?"