Tim kletterte an der Wand hoch, was nicht weiter schwer war, denn zufällig führte eine Feuerleiter am Fenster vorbei. Oben angekommen, verharrte er, denn das Fenster war geöffnet. Leise drangen Stimmen an sein Ohr: "Mensch Hans, was ist denn jetzt? Ich denk, dieser Tim kommt jetzt, oder wie?" Tim runzelte die Stirn, diese Stimme hatte er schon einmal gehört. Eine andere Stimme, unzweifelhaft die von Hasslebe, antwortete: "Wenn ichs Dir doch sage, Rüdiger. Der Boß hat angerufen und gesagt, dass dieser Psycho und seine Mitläufer im Treppenhaus sind."
Tim überlegt: Der Boß, das musste Wuchpreisinger sein. Aber wieso wusste der, wo sich TKKG aufhielten? Und wer waren die "Mitläufer"? Meinte der Kerl etwa Gaby und die anderen? Das war genug, niemand durfte Gaby einen Mitläufer nennen, auch nicht eine Mitläuferin. Aber jetzt hiess es, einen kühlen Kopf zu bewahren, immerhin waren die Gangster alarmiert.
Vorsichtig streckte Tim den Kopf aus und spähte ins Wohnzimmer. Hasslebe und der Mann, den er Rüdiger genannt hatte, standen im Flur. Hasslebe hatte einen Baseballschläger in der Hand und Rüdiger, den Tim als den Transportleistungserschleicher aus der Straßenbahn wiedererkannte, hatte einen Totschläger in der Hand. Das also hatten die Halunken vor: Das Überraschungsmoment ausnutzen und schnell zuschlagen. Hinterhältig und gemein, Gangster halt. Tim bedauerte, dass er nicht noch schnell eine Blendgranate aus seinem Schrank geholt hatte. Es musste also so gehen. Er sprang lautlos durchs Fenster und rief: "Hey Ihr Pfeifen, hier bin ich!"
Erschrocken drehten siche die beiden um, doch es war zu spät, Tim schlug zunächst Rüdiger den Totschläger aus der Hand und trat Hans gegen das Schienbein. Danach kriegte Rüdiger einen Handballen ins Gesicht und sackte zusammen. Mittlerweile hatte Hasslebe mit dem Baseballschläger ausgeholt, aber Tim schickte ihn mit einem Fußtritt zu Boden. Dann öffnete er den anderen die Tür: "Immer rein in die gute Stube."
Tim führte seine Freunde ins Wohnzimmer, genauer gesagt, nur Karl und Gaby, Kloß war in die Küche gelaufen und hatte sich auf die Suche nach \’etwas essbaren\‘ gemacht. Hasslebe setzte sich stöhnend auf und fuhr sich mit der Hand über das Kinn, wo Tims Karate-Birkenstocksandale ihn getroffen hatte. Kloß kam herein und nagte zufrieden an einer Schweinshaxe, die er, wie Tim schaudernd registrierte, mit Schokoladensauce garniert hatte.
"Also Hasslebe, jetzt pack mal aus!" "Womit soll ich auspacken? Und wieso frisst dieser Fettkloß…" "Beleidige meinen Freund nicht, sonst setzen wir unser Interview im Krankenhaus fort" fauchte Tim "Richtig so, Häuptling", meinte Kloß, "dieser Lump hat mich beleidigt, dabei esse ich doch nur, um in Form zu bleiben." "Welche Form", entgegnete Gaby, "als Heißluftballon?" "Schluss jetzt", befahl Tim.
"Also Hasslebe, euer Plan mit dem Diplomatengepäck war ja wohl ein Reinfall, das wäre selbst dann schiefgegangen, wenn ich die Kiste geöffnet hätte, Drogistan hat nämlich keine Botschaft in unserer Stadt." "Ja und" fauchte Hasslebe, "die Polizei hätte dich trotzdem hochgenommen und Du wärst eingebuchtet worden, egal wo die Botschaft ihren Sitz hat." "Jaja, schon klar" spottete Tim, "bei meinen Beziehungen zur Polizei kann mir gar nichts passieren." "Das denkst Du vielleicht", entgegnete Hasslebe, "der Boss hätte das schon geregelt." Tim horchte auf: Der Boss hatte Beziehungen zur Polizei! "Was hat Wuchpreisinger mit der Polizei zu tun?" Hasslebe und Rüdiger lachten: "Nichts!
Wir haben eine falsche Fährte gelegt!" "Unmöglich! Ich irre mich niemals", konstatierte Tim, "der Kerl hat Dreck am Stecken, wenn nicht mit euch, dann irgendwo anders. Keine Sorge Gaby, wenn ich ihm nichts nachweisen kann, hänge ich ihm was an, wäre ja nicht das erste mal. Wenn es um den Schutz unschuldiger Mitmenschen wie Deiner Tante Gerda geht, ist jedes Mittel recht." Zu Hasslebe gewandt fragte er: "Also, wer ist euer Boss?" Hasslebe zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, er ruft uns an und schickt Geld und weitere Unterlagen mit der Post. Achja, er wollte demnächst anrufen und fragen, ob wir Dich erledigt haben." In diesem Moment klingelte das Telefon
"Los Hasslebe, geh ran", befahl Tim, "und kein Wort davon, dass es schief gegangen ist." Hasslebe nickte und hob ab: "Hasslebe. Hallo Boss!…Nein, er ist nicht aufgetaucht… Wie, Sie haben ihn selbst reingehen sehen? Er ist nicht hier…OK, Sie fahren zurück ins Hauptquartier…Ja, bis dann." Hasslebe legte auf und blickte Tim an. Dieser überlegte messerscharf. Der Boss musste in der Nähe gewesen sein, als Herr Glockner sie hergefahren hatte. Eine heisse Spur! "Karl, ruf Glockner an." Karl tat wie ihm geheissen, während Tim die Umschläge betrachtete. Karl legte auf: "Der Kommissar ist auf dem Weg zum Präsidium, wir sollen morgen zu ihm kommen." "OK, Karl. Aber jetzt kommt mal her und seht euch das an." Er hob die Umschläge hoch: "Seht euch das an, die sind im Präsidium abgestempelt worden. Und riecht mal am Papier." Seine Freunde schnupperten an den Blättern, Gaby machte große Augen: "Das riecht wie das After Shave von Papi!" "Ja, genau, so eine Frechheit, die Gangster wollen uns auf eine falsche Fährte führen!"
TKKG und ihre beiden Gefangenen gingen in die Tiefgarage, wo Hasslebe seinen Wagen geparkt hatte. "Wieso nehmen wir nicht den Lift?" maulte Kloß. "Oh Mann Willy, jetzt ist keine Zeit für blöde Scherze" erwiderte Tim gereizt. Im Erdgeschoss erblickte er etwas, was ihn erschauern ließ: Ein Mann mit zwei langen Schlagstöcken kam drohend auf ihn zu. Da hieß es handeln, und zwar schnell!
Mit einer schnellen Links/Rechts-Kombination brachte Tim den Angreifer zu Fall. Da ertönte ein entsetzter Aufruf: "Erwin!" Frau Keifke lief zu ihrem am Boden liegenden Mann. Jetzt erkannte Tim ihn auch. "Aha, Herr Keifke! Sie kriegen wohl nie genug? Warum wollten Sie uns jetzt mit Ihren Mordwerkzeugen angreifen?" "Ähhh, Tim…?" mischte Karl sich ein, "das sind keine Mordwerkzeuge, sondern Krücken." "Das ist ja noch schlimmer", ereiferte sich Tim, "da nimmt er einem Behinderten die Krücken weg…". Kloß mischte sich ein: "Die Krücken gehören doch ihm, Du hast ihm doch die Beine gebrochen." "Oh ja, und damit passt dann alles zusammen", spottete Tim. "Sie haben Glück, dass wir in Eile sind, Herr Keifke. Kommt Freunde!"
Sie gingen in die Garage und ließen sich von Hasslebe ins Präsidium fahren. Auf der Fahrt rätselten sie über den geheimnisvollen Boss. Karl fasste zusammen:
"Der Boss hat Connections(Beziehungen)" zur Polizei, er kennt uns, er beobachtet uns und weiß, welches Aftershave Herr Glockner benutzt. Daraus folgt mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass wir ihn auch kennen oder zumindest schon einmal gesehen haben." "Richtig Karl." Tim nickte. "Interessanterweise passt diese Beschreibung auf Herrn Glockner, und damit sind wir ein ganz schönes Stück weiter." "Hä? Wieso?" Kloß blickte verwirrt drein. "Ist doch klar, Willy" belehrte ihn Gaby, "mein Papi muss den Boss auch kennen und mit seiner Hilfe…" "Wir brauchen keine Hilfe, Gaby" warf Tim mit gefährlich leiser Stimme ein. "Äh ja." Gaby wirkte verunsichert. "Also, wir, hm werden den Boss entlarven." "Genau Pfote, es würde mich nicht wurdern, wenn das Hauptquartier des Bosses im Präsidium ist, dann erwischen wir ihn. Das wird ein Knaller." Tim rieb sich die Hände. In diesem Moment bimmelte Hasslebes Handy
Tim zog es aus Hasslebes Tasche und guckte aufs Display. Dort wurde eine Nummer aus dem Präsidium angezeigt, die ihm bekannt vorkam. Er grinste und nahm ab. Eine Stimme ertönte "Was ist denn los, Hasslebe? Wo sind Sie? In Ihrer Wohnung geht keiner ans Telefon" Tim erwog, sich als Hasslebe auszugeben, um dem Boss Infos zu entlocken, als Kloß es vermasselte in dem er laut dazwischenquatschte: "Wer ist es denn, Tim?" Es klickte, als der Boss auflegte. Tim bedachte Kloß mit einem finsteren Blick: "Wenn Du nicht dazwischengefunkt hättest, wüssten wir vielleicht schon, wer der Boss ist! Naja, immerhin haben wir seine Nummer, Glockner kann uns sicherlich sagen, wessen Anschluss das ist. Da fällt mir ein: Wenn ichs nicht besser wüsste, würde ich sagen, das war Herr Glockner. Der Typ hat sogar die gleiche Stimme wie er. Unglaublich!"