"Ähem, Tim?" Karl wies auf Tims Schuhe. "Du bist da in was reingetreten". Tim blickte nach unten: Braune Flecken verunzierten seine Segeltuchschuhe, Hundekot offenbar. "Nanu", wunderte er sich, "welcher Hund verrichtet hier denn sein Geschäft?" "Oskar kann es nicht gewesen sein, der ist viel zu gut erzogen", entgegnete Gabi. "Außerdem verrichtet er sein Geschäft immer brav bei diesem Gangster Neureich".
Herr Neureich war der Nachbar der Sauerlichs. Tim hatte ihn vor einigen Monaten, als Gabi wieder einmal todmüde eingeschlafen war, bei einer seiner Inspektionstouren durch die Häuser der Nachbarschaft dabei beobachtet, wie er eine Quittung vom Supermarkt in den gelben Sack entsorgte. Da Tim von seinem Beobachtungsposten am Küchenfenster aus nicht eingreifen konnte,hatte er am nächsten Tag Kommissar Glockner verständigt. Dieser musste ihm jedoch mitteilen, dass er in diesem Fall nichts ausrichten konnte, da die Gesetzeslage hier keine harten Strafen vorsah.
Daraufhin hatte Tim zusammen mit seine Freunden beschlossen, Herrn Neureich eine Lektion in Ökologie zu erteilen, denn es kann nicht angehen, dass sich Menschen einfach über das Gesetz hinwegsetzen. Weil Herr Sauerlich unverständlicherweise keinen Ärger mit seinen Nachbarn haben wollte, schworen TKKG, dass sie nichts unternehmen würden, besser gesagt: Tim schwor, dass er Herrn Neureich nicht tätlich attackieren, sondern ihm eine Lektion erteilen wollte.
Danach machten sie sich ans Werk.
Gabi hatte Oskar beigebracht, sein Häufchen vor Neureichs Haustür zu machen, und Tim lief jedes Mal, wenn Oskar fertig war, zur Tür, warf ein brennendes Papiertaschentuch auf den Haufen, klingelte und lief ebenso schnell wieder weg.
Die ersten zwei Male war Neureich auch darauf hereingefallen und war in den Haufen getreten, aber die nächsten 30 Male reagierte er nicht mehr. Allerdings erstattete Neureich irgendwann Anzeige bei der Polizei, was Tim zunächst lustig fand, da er als Kommissar Glockners bester Freund sowieso nichts zu befürchten hatte und es sich nur um einen kleinen Scherz, eine Petitesse sozusagen, gehandelt hatte.
Erst als Neureich eine Reihe von Videos seiner Überwachungskamera präsentierte, die eindeutig Tim zeigten, wie er nicht nur den Kot anzündete, sondern auch noch die Geranien zertrampelte, Beton in Neureichs Briefkasten kippte, das Wort "Öko-Terrorist" in den Lack des Rolls-Royce kratze, Salz auf den Rasen streute und die Pfeiler vom Carport ansägte, war der Spaß vorbei.
Tim erstatte Anzeige wegen Verletzung seiner Privatsphäre und übler Nachrede, so dass die Beweisvideos nicht mehr als Beweis verwendet werden konnten. Da man Neureich die Kassenzettelentsorgung nicht mehr nachweisen konnte, da der Gelbe Sack zusammen mit den anderen schon längst in der Nordsee verklappt worden war, ließ Tim es zähneknirschend dabei bewenden. Zwar wurde Neureich nicht belangt, aber die lächerliche Anschuldigung gegen Tim war aus der Welt.
Glockner redete Tim eindringlich ins Gewissen, es dabei bewenden zu lassen, was Tim mit dem Hinweis, dass er eh wichtigeres zu tun hatte, ausdrücklich bejahte.
In der Folgezeit erstattete ein Unbekannter auf Sauerlich-Briefpapier mehrere Anzeigen gegen Herrn Neureich, unter anderem wegen illegaler Giftmüllentsorgung, Kidnapping, Briefmarkenfälschung, Transportleistungserschleichung, Waffenschmuggel, Konspiration mit der Knusperhexe und dem Mord an Schneewittchen.
Aber seltsamerweise reagierte die Polizei niemals darauf, was Tim zu dem Schluss führte, dass Neureich zusammen mit dem ausländischen Briefträger Un’Sympath die Briefe unterschlug. Vorerst machtlos, nahm Tim sich vor, Neureich schärfer zu observieren, bis er endlich einen Beweis hatte. Bis dahin lief die Aktion “Oskar“ weiter, um Neureich daran zu erinnern, dass TKKG ihn weiter observierten.
"Wenn es nicht Oskar war, wer dann? Moment…" Tim zog sich die Schuhe aus, schnupperte daran. Er roch eindeutig Schokolade. Er starrte zornig Kloß an, der schuldbewusst zusammenzuckte. "Willy! Du hast wieder im Schokolabor experimentiert und Deine selbstverständlich misslungenen Resultate im Garten entsorgt" "Ja", gab Kloß zu. "Das ist eine neue Rezeptur von Sauerlichs bester Schokolade, Vollmilch-Schinken, die hatte ich vorhin doch auch schon. Das Problem ist, dass wir die Schinkenextrakte nicht konservieren können, sprich: Die Schokolade verfault nach einiger Zeit, und ich wollte sie nicht ins Haus tragen." "Na gut", gab Tim zu, "aber Du hättest sie ruhig zum ollen Neureich bringen können, damit er merkt, was es heisst, die Umwelt zu schänden. Wartet mal." Er hob den stinkenden Klumpen auf und warf ihn über den Zaun. Es klatschte eklig, als die Ladung auf Neureichs Wohnzimmerfenster landete.
"So, jetzt aber ins Bett, es ist schon fast halb 9. Karl, Willy Ihr geht schon mal vor". Karl und Kloß gingen vor, Tim wusch sich die Hände am zufällig in der Gegend herumstehenden Waschbecken und lächelte Gabi an. Gabi lächelte scheu zurück. "Tja, Pfote, das war ein ereignisreicher Tag, da müssen wir uns dringend entspannen. Vielleicht können wir…" "Ja, Du hast recht", entgegnete Gabi rasch. "Wir sollten dringend ins Bett."
Sie gingen händchenhaltend in die Villa und stiegen leise in den ersten Stock, wo Kloß‘ altes Zimmer und die Gästezimmer lagen. Aus Kloß‘ Zimmer klangen Schnarchgeräusche und aus Karls Zimmer das Klappern seiner Laptop-Tastatur. Sie gingen zu Gabis Zimmer, sie drehte sich um und lächelte verlegen: "Tim, ich bin soooo furchtbar müde." Sie gähnte herzhaft. "Ich muss dringend schlafen" "Klar, kein Problem, Pfote", entgegnete Tim lässig. Gabi küsste ihn auf die Wange, ging ins Zimmer und schloss die Tür ab. "Seltsam", dachte Tim, "wieso schliesst sie ab? Solange ich in ihrer Nähe bin, kann ihr doch gar nichts geschehen. Na, irgendwann wird sie mir schon erzählen, was es mit ihren Müdigkeits- und Mirgräneanfällen auf sich hat." Er ging breitbeinig in sein Zimmer, duschte eiskalt, drehte sich die Lockenwickler ins Haar, bereitete eine Gurkenmaske zu und ging zu Bett. Kaum dass er eingeschlafen war, bimmelte sein Handy.